Author: Gabriel Mailhot, Québec , Canada
Date: Sep 10, 2002 09:09:43
Size: 480 x 640
Type: jpg
User's short description: Nu simple avec lingerie. Appareil: AGFA ePhoto 307
So etwas ist noch nicht vorgekommen:
Ich habe den Eindruck, dass Gabriel Mailhot aus Kanada ungeheuer produktiv mit seiner Kamera umgeht. Jedenfalls hat er uns eine ganz umfangreiche Bildersammlung zugeschickt. Zur einen Hälfte waren es solche Aktaufnahmen wie diese hier, während es sich bei den anderen Fotos um scheinbar spontan während einer Konzertveranstaltung entstandene Portraits handelt.
Alle seine eingesandten Fotografien haben durchaus gute Qualität, aber die schwarz-weißen Aktbilder gefallen mir persönlich dann doch noch besser als seine schrill-bunten Lifstyle-Darstellungen.
Die Entscheidung, unter den vielen Beispielen des Autors gerade dieses Foto auszuwählen, ist mir ziemlich schwer gefallen, da trotz der großen Anzahl durchaus unterschiedlicher Motive eine durchgängige gestalterische Handschrift erkennbar ist.
Bestimmend bei allen dieser Aktaufnahmen ist die dezente, weich modulierende Lichtführung und die sich durch die Stellung des Körpers ergebende eigene Form. So bildet sich hier bei diesem Bild deutlich ein abgerundetes Dreieck, festgelegt von den Eckpunkten der Positionen von Kopf, Schulter und Ellbogen. Gabriel Mailhot hat mit diesem Bildaufbau - bewusst oder aus dem Gefühl heraus - ein geradezu klassisches, uraltes Gestaltungsmittel eingesetzt, welches bei richtiger und gekonnter Anwendung beinahe zwangsläufig dazu führt, dass ein Bild als harmonisch und in sich geschlossen empfunden wird. Ein derartiges Dreieck der Bildlinien führt das Auge des Betrachters auf dem Bild in einer unendlichen Schleife und konzentriert so den Blick auf die vom Autor gesetzten Schwerpunkte. In vorliegendem Beispiel wird dieses Gestaltungsprinzip zusätzlich von der reduzierten und gezielt eingesetzten Lichtführung unterstützt. So ist es denn auch kein wirklicher Mangel, dass in den dunklen Bildteilen, einschliesslich des Bereichs der in den Vordergrund „fließenden” Haare, die Durchzeichnung in den Schwärzen verloren geht.
Lange Zeit war ich unschlüssig, ob der Autor nicht besser daran getan hätte, auf die Halskette des Modells zu verzichten. Aber weil diese im schmalen Träger des Dessous und in der Tätowierung am Arm eine formale Wiederholung findet, hat sie durchaus eine gestalterische Bedeutung und Berechtigung.
Etwas befremdlich und ein wenig unnatürlich erscheint mir die Darstellung des Ohres, fast wie ein Fremdkörper. Das liegt aber an unseren eingefahrenen Sehgewohnheiten: in der Regel bekommen wir ein Ohr nicht jeden Tag „auf dem Kopf stehend” zu sehen. Ich habe es ausprobiert: wenn das Foto um 180 Grad gedreht wird, sehe ich das Ohr meiner Alltagserfahrung entsprechend, und es wirkt wieder völlig normal.
Um diese Irritation zu vermeiden, hätte der Fotograf das Ohr etwas im Halbschatten belassen können, dann würde es nicht so ins Auge stechen. Dem Gesamteindruck und der gestalterischen Linie des Bildes hätte das nicht geschadet.
Letztendlich schmälert dies aber nicht mein Urteil über dieses Bild. Ich halte es für sehr gelungen, weil es intensives Einfühlungsvermögen in das Motiv vermittelt, eine überzeugende gestalterische Kraft zeigt und fototechnisch ohne Makel ist..
Trackingnumber: tutor-001176
Author: Ted Marchut, San Marcos , Texas USA
Date: Sep 26, 2002 14:09:55
Size: 500 x 751
Type: jpg
User's short description: I took this photo in the winter of 1993 at the Christian Science Center in Boston.
Klarheit und Konsequenz der Perspektive stehen im Vordergrund dieser Fotografie von Ted Marchut aus Texas. Von ihnen lebt das Bild, daraus bezieht es die beeindruckend intensive Bildwirkung.
Unzweifelhaft und eindeutig wird uns die Architektur des Gebäudes in ihrem Chrarakter vermittelt. Ganz offensichtlich war dessen Erbauer von den Prinzipien des Bauhaus beeinflusst. Der Fotograf hat in seinem Foto diese Prinzipien von schnörkelloser Einfachheit der Linien und Einbindung des Nutzens in die Form sehr präzise übernommen.
Nun könnte man als Argument einwenden, der Autor habe doch eigentlich nur lediglich das dokumentiert, was ihm vom Objekt her quasi angeboten wurde.
Es stimmt zwar, dass dieses Gebäude unverrückbar so dort steht, wie es das Bild zeigt, und dass dieses Bild faktisch jederzeit, also auch jetzt im Augenblick (wir setzten voraus, es herrscht gerade Tageslicht) von jedermann genau so machbar und wiederholbar ist. Aber - um dieses Bild so fotografieren zu können, muss der Fotograf es überhaupt erst „sehen” und finden.
Anders als zum Beispiel bei Stilleben, Portraits oder Aktaufnahmen, zu deren Gestaltung der Bildermacher aktiv in den Aufbau der Objekte eingreifen kann, besteht hier die eigentliche fotografische Leistung in der Fähigkeit zur Selektion. Entscheidend für ein gutes Bild ist dabei die Kunst, aus der tatsächlich unendlichen Anzahl der möglichen Bilder jene einzige Perspektive zu finden und auszuwählen, die zum Optimum des Machbaren führt.
Für mein Empfinden hat Ted Marchut dieses Optimum erreicht. Vielleicht hat er darüber hinaus auch etwas Glück gehabt genau die Lichtverhältnisse vorzufinden, welche den geometrischen Charakter der Architektur aufs Beste entsprechen. Aber vielleicht hat er auch genau diese Bedingungen abgewartet, um sein Bild realisieren zu können.
Trotz all dieser Freude über ein schönes Bild muss ich aber auch mal richtig schimpfen. Warum nur steht das Bid so schief im Raum? Natürlich kann es passieren, dass die Kamera beim Auslösen etwas verdreht steht (das lässt sich übrigens durch eine auf den Sucherschuh der Kamera aufsteckbare Libelle vermeiden). Aber bitte, selbst mit einem so profanen Mittel wie einer Schere lässt sich das Bild anschließend gerade setzen.
Bei diesem Architekturbild hätte das allerdings nicht ganz ausgereicht, es leidet auch unter sogenannten „stürzenden Linien” - die Kamera war zusätzlich wohl nicht ganz exakt in der Senkrechten. Diese stürzenden Linien können manchmal durchaus sehr reizvoll wirken, wenn sie als gestalterisches Element deutlich eingesetzt werden. Aber nur so ein bisschen stürzend werden sie als Fehler empfunden.
Ich habe das Foto im Bildbearbeitungsprogramm ohne großen Aufwand entzerrt und geradegesetzt, das ist keine große Kunst.
Es mag sein, dass es unter Ihnen noch einige Liebhaber gibt, die ihre Fotos im eigenen Labor ausarbeiten. Für die gibt es hier noch einen Tip, wie man auch im konventionellen Fotoverfahren stürzende Linien beseitigen kann. Dazu muss der Vergrößerungsrahmen nur etwas gekippt werden, bis die Linien parallel laufen. Um dennoch genügend Schärfentiefe zu erhalten, sollte man, sofern das Vergrößerungsgerät dieses zulässt, die Objektivebene oder die Negativebene so schwenken, dass die gedachten Verlängerungen von Filmebene, Objektivebene und Bildebene sich in einem Punkt treffen.
Diese Skizze macht das vielleicht noch etwas deutlicher: