Author: Michael Bedford, Coulsdon , United Kingdom
Date: Sep 25, 2002 19:09:17
Size: 1134 x 1474
Type: jpg
User's short description: To some extent this photo was almost a happy accident. I missed the first shot and got this one instead. Shot in Nice, at the Musee Mattise with a new lens (for me) it still feels like a fortunate shot. But one that has changed my vision and sent me out shooting more people...now with faces showing.
I won't go on about the irony...it's there for everyone to see.
Ein sehr gutes ...
und ausdruckstarkes Bild, das könnte dieses Foto sein, wenn der Fotograf, Michael Bedford, die kritischen Lichtverhältnisse besser in den Griff bekommen hätte. Das Motiv bringt alle guten Voraussetzungen mit und der Autor hat auch den richtigen Ansatz, ein interessantes Portrait zu schaffen.
Dieses Bildnis erzählt uns eine komplexe Geschichte, die umfassende Lebensgeschichte eines alten Mannes.
Wir sehen die feste und kraftvolle Hand, und können daraus auf ein langes und hartes Arbeitsleben schließen. Dieser Mann hat ganz offensichtlich sein ganzes Dasein in eine feste Ordnung gefügt. Die Erinnerungsstücke an den Verlauf seines Lebens sind säuberlich in harmonischer und stilvoller Anordnung auf der Regalwand ausgestellt, wie in einer Galerie. In seinem unkomplizierten Charakter ist er zugänglich und pflegt Freundschaften — ein freier Stuhl für einen Gast ist an seinem Tisch immer vorhanden. Er hat sich die Neugier erhalten und ist an Allem interessiert, was um ihn herum geschieht — die tägliche Zeitung bildet hier keine Dekoration, sondern eine ständige Verbindung zur Außenwelt. Ganz ohne Scheu und Vorbehalt hat dieser Mensch Kontakt mit der Kamera aufgenommen, sein Blick vermittelt Ehrlichkeit und Verständnis. Und er ist sich seiner Rolle als Objekt eines fotografischen Schaffensprozesses durchaus bewusst, ja er scheint diese Funktion sogar zu genießen. Deutlich ist spürbar, dass der Fotograf es geschafft hat, ein stilles Vertrauensverhältnis zwischen sich und seinem Fotoobjekt aufzubauen.
Es ist wirklich sehr schade, dass dieses Foto so unter den ungünstigen Kontrastverhältnissen der Beleuchtung leidet. Der intensive Sonneneinfall durch das Fenster von rechts brennt das Weiß der Zeitungsseiten förmlich aus, bis zum völligen Verlust an Detailwiedergabe. Im Gegensatz dazu versinkt das eigentlich besonders wichtige Hauptthema des Bildes kontrastarm im Halbschatten, das interessante Gesicht.
Es ist zwar völlig richtig, dass der Fotograf hier nicht auf das Hilfsmittel eines Aufhellblitzes zurückgegriffen hat. Eine solche zusätzliche Beleuchtung hätte viel von der eigentlichen Lichtstimmung weggenommen und die warme, anheimelnde Athmosphäre des Bildes zerstört. Trotzdem hätte sich auch bei den hier vorgefundenen Verhältnisses ein perfektes Bild erzielen lassen.
Grundsätzlich muss der Fotograf in einem solchen Fall dafür sorgen, dass das von rechts einfallende Licht einen weicheren Charakter erhält.
Im Idealfall würde ich hier die Fensterfläche mit einer weißen Transparentfolie abdecken. Diese wirkt dann als Diffusor wie eine große Flächenleuchte und sorgt für eine bessere und weichere Lichtverteilung, ohne die Eigenart des einseitigen und gerichteten Sonnenlichtes aufzuheben. Hat man keine solche Folie, oder ist die gerade nicht verfügbar, kann man zur Not auch eine dichte Gardine verwenden oder — noch besser — ein nicht ganz so dicht gewebtes Bettlaken.
Wie man an dem von mir per Photoshop überarbeiteten Bild erkennt, lässt sich ein solcher Fehler auch in der Bildbearbeitung nur ungenügend korrigieren. Zwar konnte das Gesicht in Kontrast und Helligkeit besser herausgearbeitet werden, der total überbelichtete Teil des Bildes jedoch, die Zeitung, lässt sich nicht wirklich verbessern. Bei noch stärkerer Abdunkelung dieses Bereichs würde sich lediglich eine gleichmäßig graue Fläche bilden. Wo nichts an Bildinformation vorhanden ist, kann auch Photoshop nicht weiterhelfen.
Trackingnumber: tutor-001214
Author: Martin Rohrmann, Belm , Deutschland
Date: Oct 16, 2002 21:10:32
Size: 842 x 1378
Type: jpg
User's short description: Aufgenommen in Vietnam, Saigon, fotografierte ich diese alte Frau während sie nähte. Ich wollte einen realistischen Einblick in den Alltag dieser Frau in Ihrer persöhnlichen Umgebung, daher schnitt ich auch nicht die Füße ab, die oben ins Bild ragen.
Martin Rohrmann erhebt in der Beschreibung zu seinem Bild einen hohen Anspruch: ein realistischer Einblick in den Alltag einer vietnamesischen Frau. Daran muss sich dieses Foto jetzt messen lassen.
Sicherlich sagt dieses Motiv einiges aus über die schwierigen Umstände und Lebensverhältnisse, mit denen diese Näherin zurechtkommen muss, und insoweit entspricht das Foto im Ansatz auch dem hier ebenfalls vorgestellten Bild von Michael Bedford. Auf engstem Raum und unter spärlichen Lichtverhältnissen erledigt die Frau ihre Arbeit. Scheinbar ist es schon Nacht, was auf einen langen Arbeittag hinweist. Die Brille lässt darauf schließen, dass die Arbeit bis in die tiefen Nachtstunden für sie nichts Ungewöhnliches ist.
Aber im Gegensatz zu Michael Bedford hat Martin Rohrmann offenbar keinen unmittelbaren Kontakt zu seinem Objekt aufgenommen, keine Beziehungen geknüpft. Das Bild wirkt dadurch seltsam unterkühlt und emotionslos. Unwillkürlich muss ich an den Begriff „Voyeurismus” denken. Es wird der Eindruck erweckt, der Fotograf habe diese Szene beim nächtlichen Schlendern in den Straßen von Saigon durch die geöffnete Tür der Werkstatt entdeckt und von draußen fotografiert, wahrscheinlich gänzlich unbemerkt. Dabei handelt es sich dann eigentlich um eine Art fotografischer Ausbeutung.
Ich möchte diese Vorgehensweise nicht pauschal verurteilen, lehne sie aber für mich selbst ab. Das muss jeder für sich entscheiden, ob er das mit seinen ethischen Überzeugungen vereinbaren kann. Denn im Prinzip würde es sich dabei um Diebstahl handeln, Diebstahl am Recht auf Eigenbestimmung, am Recht auf Schutz der privaten Sphäre und am Recht am eigenen Bild.
Ich möchte nochmals zurückkommen auf die Beschreibung, welche der Fotograf seinem Foto mitgegeben hat. In Wahrheit kann eine Fotografie gar nicht wirklich „realistisch” sein. Schon durch die Formatbegrenzung des Bildes, die Wahl eines „Ausschnitts” aus einer Gesamtszenerie, ebenso wie durch die Beschränkung des Fotos auf einen ganz kleinen Auschnitt der Zeit gibt der Fotograf dem Bild einen persönlichen Kommentar mit, eine durch seine individuelle Entscheidung beeinflusste Verfälschung der Wirklichkeit. Das ist gar nichts Negatives, man muss sich dieser Vorgänge nur bewusst sein.
Fast entschuldigend verweist der Autor auf die in voller Absicht am oberen Bildrand abgeschnittenen Füße einer zweiten Person. Warum? Mich stören die dort nicht. Ich wünschte mir lediglich von den Füßen noch etwas mehr. Ich hätte dann vielleicht das Bild unten etwas weiter angeschnitten, etwa am unteren Rand der Sitzfläche des Hockers, und oben entsprechend etwas mehr von der Szene gezeigt. Für mich wäre das dann etwas „schöner” geworden.
Aber — Realität ist nun mal nicht immer schön.