Author: Sonja Tietze, Karlsruhe, Deutschland
Date: Apr 25, 2004 20:19
Size: 800 x 561
Type: jpg
User's short description: aufgenommen mit Canon 10 D
Noch ein Tulpenbild ...
... und dieses, obwohl der Frühling doch eigentlich schon vorüber ist. Aber an dieser Fotografie konnte ich nun wirklich nicht so ganz kommentarlos vorübergehen.
Schon des öfteren habe ich an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass fotografische Bilder in der Regel dann als besonders gut gelungen empfunden werden, wenn der Fotograf sich bei der Aufnahme in der Tugend der Beschränkung geübt hat. Je stärker sich die Bildgestaltung auf das eigentliche, wirklich bedeutungsvolle Element konzentriert, desto intensiver und eindeutiger wird der Bildinhalt transportiert.
Genau wegen dieser Eindeutigkeit und Intensität ist mir das Foto von Sonja Tietze so besonders aufgefallen.
Die Fotografin hat ihr Motiv mit sparsamsten Mitteln angelegt. Eigentlich besteht es aus lediglich zwei Elementen, den Tulpen mit den paar Blattspitzen und dem im extremen Unschärfebereich gelegenen Hintergrund. Dieser Hintergrund ist wegen der Unschärfe so gering detailliert, dass seine Wesensart nicht mehr erkennbar und zu identifizieren ist. Er könnte also sowohl zufällig dort vorhanden sein, als auch ganz gezielt für diese Aufnahme gestaltet. Im Prinzip ist diese Frage aber eigentlich gar nicht relevant. Entscheidend ist vor Allem, dass die überaus große räumliche Tiefe des Hintergrunds dazu verhilft, die Tulpen als Hauptelemente des Motivs ganz klar und solitär darzustellen. Darüber hinaus unterstützen die im Hintergrund diagonal angeordneten Teile, welche schon beinahe wie von Bewegungsunschärfe verrissen erscheinen, die Form und die Anordnung der grünen Tulpenblätter.
Als weiteres Mittel, die Blütenkelche der Tulpen im Bild besonders hervorzuheben, dient die von der Fotografin gewählte Farbverteilung. Zwar finden wir die Wiedergabe sehr feiner Farbabstufungen verbreitet über die komplette Fläche der Aufnahme, die farbliche Ausrichtung aber beschränkt sich im wesentlichen auf den beinahe schon sakral anmutenden Kontrast von Grün und Violett. Da es sich bei diesen Farbtönen um fast schon ideale Komplementärfarben handelt, wird hier eine höchstmögliche Betonung der fotografischen Hauptelemente erreicht.
Natürlich ist mir leider nicht bekannt, ob die Fotografin alle diese Dinge bewusst und in voller Absicht so durchdacht hat, ob alles nur Zufall war, oder ob sie mit natürlicher Begabung ihre Aufnahme ganz spontan und aus dem Gefühl heraus gestaltet hat. Das uns vorgestellte Ergebnis ist, davon völlig unabhängig, jedenfalls von ganz hervorragender Qualität. Da muss ich mal wieder ein dickes Lob aussprechen.
Ein ganz kleines Problem bleibt am Ende:
Mit dem Anschnitt der rechten Blüte, sowohl an ihrem rechten als auch am oberen Rand, mag ich mich nicht so gerne anfreunden. Ich möchte hier zwei Ergebnisse meiner Experimente mit der Änderung des Bildausschnitt vorstellen:
Für die erste Version habe ich am oberen Bildrand etwas angesetzt und das Bild mit dem Photoshop-Kopierstempel entsprechend ergänzt. Beim zweiten Versuch habe ich das ursprüngliche Foto einfach oben und auch an der rechten Seite weiter beschnitten, so dass die rechte Blüte nicht mehr so bildwichtig im Raum steht. Welche Version man als die günstigste empfindet, das mag jeder bitte für sich selbst entscheiden. Ich meinerseits tendiere zur letzten der Alternativen.