Author: Michael Hackmann, Berlin, Germany
Date: Jan 23, 2004 12:33
Size: 800 x 662
Type: jpg
User's short description: Das Original ist im starken Gegenlicht aufgenommen. Um diesen Effekt zu verstärken habe ich einen leichten Sepiaeffekt und in den linken Teil eine zusätzliche Bewegungsunschärfe eingemischt.
Licht ...
... ist das eigentliche und ursprüngliche Gestaltungspotential der Fotografie. Nicht nur, dass es ein Bild auf das Filmmaterial zeichnet oder auf den Sensor unserer Digitalkamera, nein — der bewusste und überlegte Umgang mit ihm ermöglicht dem Fotografen die Gestaltung des Bildes nach seiner persönlichen Intention, so dass er ein eigenes und unverwechselbares Werk erstellen kann, auch wenn tausend andere Fotografen mit ihm zusammen am gleichen Motiv tätig sind.
Die Aufnahme der Berliner Stadtszenerie von Michael Hackmann schlummert schon geraume Zeit in einem Ordner, welchen ich zum Sammeln der für eine Besprechung in Frage kommenden Bildeinsendungen nutze.
Anfänglich war ich total begeistert von dieser Fotografie, habe sie aber aus mir jetzt nicht mehr zugänglichen Gründen immer wieder beiseite geschoben, wenn es galt eine der Einsendungen auszuwählen. Dann kam eine Phase, in der ich zunehmend skeptisch wurde, mein Interesse nachließ und ich irgendwie keinen Gefallen mehr an dem Gedanken fand, mich näher mit der Aufnahme zu beschäftigen. Aber nun habe ich sie wiederentdeckt und mich aufs Neue von ihr faszinieren lassen.
Der Autor teilt uns in seiner Kurzbeschreibung mit, welche Mittel und Manipulationen er eingesetzt hat, um seine ursprüngliche Aufnahme nachträglich zu optimieren. Je intensiver ich mich mit seinen Angaben und dem präsentierten Ergebnis befasse, um so mehr bin ich davon überzeugt, dass dieses Bild auch ohne Nachbearbeitung in seiner Ausgangsform als gutes Foto hätte gelten können.
Die betont sich verjüngenden perspektivischen Linien treffen sich im Fluchtpunkt, den der Fotograf weit in die linke Hälfte der Aufnahme gerückt hat, so dass eine dem Auge angenehme Asymmetrie erzeugt wird und Spannung im Bildaufbau entsteht. Die diesen Linien entgegenstehenden Senkrechten der Häuser bilden die übliche Straßenschlucht, welche in Michael Hackmann's Fotografie aber durch die von links ins Motiv ragende Markise gedeckelt wird. Diese Markise betont die ausgeprägte Perspektive ganz besonders, genauso wie die nach hinten stark abnehmende Größe der Personen.
Die auffällige Gegenlichtsituation unterstützt die Anmutung der (Straßen-) Schlucht. Vor allem aber verleiht sie der Szenerie eine interessante und eigentümliche Stimmung — das Ganze erinnert mich irgendwie an einen extrem heißen und staubigen Tag in New York. Trotz der mit dieser Beleuchtung verbundenen starken Kontraste hat der Fotograf eine ordentliche Durchzeichnung der Details in den dunklen Partien des Bildes erreicht. Das Unterdrücken der Farbsättigung und die Einfärbung im Sepiaton tragen zu einer weiteren Überhöhung des gegenlichtigen Charakters bei. Als besonders reizvoll empfinde ich die Beibehaltung der Farbigkeit im blauen Schild am Eingang zur U-Bahn. Das ist die einzige farbig angelegte Stelle im Motiv und stellt — obwohl durchaus verhalten in der Farbsättigung — ein Gegengewicht dar zur unbunten Monotonie der Sepiafärbung. So wird diese dadurch geschaffene gewisse Stimmung von Tristesse nicht zum dominierenden Faktor des Bildes.
Einen weiteren Hinweis auf diese Grundstimmung des Motivs finde ich in der Tatsache, dass sämtliche auf dem Foto abgebildeten Personen der Kamera, also dem Betrachter, den Rücken zukehren. Das unterstützt das (Vor-) Urteil von der Vereinsamung der Menschen im hektischen Getriebe der Großstadt, macht aber die Aufnahme besonders ausdrucksstark. Gerade die gezielt eingesetzte Überhöhung der Bildaussage führt oft zur wahren Darstellung der Dinge, vorausgesetzt sie wird, wie in diesem Fall, mit viel Fingerspitzengefühl gehandhabt.
Neben der Umfärbung der Aufnahme in den Sepiaton hat der Autor im linken Teil des Bildes Bewegungsunschärfe zusätzlich eingemischt. Das Ergebnis dieser Aktion allerdings vermag mich nicht zu befriedigen. Zwar wird dadurch eine Verstärkung des Gegenlichteffekts durch überstrahlung der Details erzielt, gleichzeitig entsteht so aber eine merkwürdige Verfremdung:
die unteren Teile der in diesem Bereich befindlichen Personen werden stark verschwommen wiedergegeben oder sogar ausradiert. Schließlich erscheinen einige dieser Menschen wie über dem Boden schwebend. Diese Manipulation gefällt mir in ihrem Ergebnis nicht so gut und wäre wahrscheinlich auch nicht notwendig gewesen.
Dennoch, alles zusammengenommen:
mein Kompliment !